Medien der Praxeologie II: Die Geschichte der AV-Sequenzanalyse von ihren Anfängen bis zur Ethnomethodologie und Konversationsanalyse

Description

Das Teilprojekt widmet sich einem schon lange Zeit bestehenden Desiderat der Medien- und Wissenschaftsgeschichte: der mediengestützten Analyse sprachlicher bzw. multimodaler Interaktion, die seit den 1960er Jahren zum Entstehen neuer Forschungszweige der Soziologie, Sprachwissenschaft, Entwicklungspsychologie und Wissenschafts- und Medienforschung führte. Im Rückblick wird deutlich, dass die empirische Untersuchung und Theoretisierung der kooperativen Natur der menschlichen Interaktion, Sozialisation und Sprachlichkeit durch diese medienhistorische Entwicklung nachhaltig verändert wurde. Ziel des Teilprojekts ist es, diese Entwicklung von den unsicheren Anfängen bis zu ihrer internationalen Konsolidierung sowohl theorie- als auch methodenhistorisch zu rekonstruieren und dabei die unterschiedlichen Disziplinengeschichten, aber auch die irregulären Sprünge zwischen den Disziplinen zu berücksichtigen. Als Prüfstein der Konsolidierung wird dabei der Import audiovisueller Methoden nach Deutschland und ihre Etablierung als reguläre Verfahren der sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung dienen. Die Vorgeschichte der audiovisuellen Analyse-Verfahren führt ihrerseits zurück in eine noch weitgehend ungeklärte mitteleuropäische Situation vor und nach der Emigration deutschsprachiger Forscher*innen in die USA; und zugleich in die Geschichte eines der erfolgreichsten Theorie-Motive der deutschen Sprachphilosophie: die Idee einer „Inneren Sprachform”, die nach dem 2. Weltkrieg in Nordamerika als Inspiration sowohl der Suche nach neuen Parametern der mündlichen Sprache (Paralinguistik, Kinesik, Proxemik, Gestenforschung) als auch der Entstehung der Medientheorie wirkte. Das Teilprojekt konzentriert sich auf die lange Prüfungsphase der AV-Sequenzanalyse zwischen 1950 und 1980, die sich zum einen durch einen sozialen und technischen „Urknall” auszeichnete (die Arbeitsgruppe der „Natural History of an Interview” rund um Gregory Bateson, deren Mitglieder allesamt eigene Varianten entwickelten); und zum anderen durch verschiedene Empirisierungen einer philosophisch (v.a. phänomenologisch) geschulten Theoriebildung, aus deren Weiterentwicklung insbesondere in der Ethnomethodologie Harold Garfinkels und der Konversationsanalyse von Harvey Sacks ein stringentes wissenschaftliches Programm entstand, das bis heute Felder der soziologischen Praxistheorie und interaktionalen Linguistik, aber auch einer sequenzanalytisch informierten Medienanalyse, Mediengestaltung und Digitalisierungsforschung (etwa in Gestalt des „Computer Supported Cooperative Work”) durchquert.

Institutions
  • Sociology
Funding sources
Name Finanzierungstyp Kategorie Project no.
Mittelgeber third-party funds research funding program 1187/2 - 2020
Further information
Period: 01.01.2020 – 30.06.2020