Zivilisierungsmission und britischer Freihandelsimperialismus: Kulturelle Ressourcen imperialer Integration

Beschreibung

Angesichts gegenwärtiger Erfahrungen mit stetig zunehmender globaler Verflechtung ist die herkömmliche Beschränkung der Geschichtswissenschaft auf nationalgesellschaftliche oder subnationale Untersuchungseinheiten korrekturbedürftig. Im öffentlichen Bewusstsein verbindet sich der Begriff der Integration mindestens ebenso sehr mit der Bildung supranationaler ökonomischer und politischer Strukturen und der Einbeziehung lokaler Verhältnisse in globale Zusammenhänge wie mit dem Problem der Binnenkohärenz einzelner Gesellschaften und sozialer Kleingebilde. Indem das Projekt Integration auf der nationalen und interkulturellen Markoebne thematisiert, erweitert es das Kulturwissenschaftliche Forschungskolleg um die Dimension der Globalisierung und der innerkulturellen Beziehungsgeschichte. pDas Forschungsinteresse im Projekt B6 hat sich seit der Formulierung des Erstantrags von ökonomischen (Freihandel) stärker auf kulturelle Aspekte (symbolische Repräsentation kultureller Programmatiken) verlagert. Darin spiegeln sich sowohl die Entwicklung der Diskussion im Forschungskolleg als auch die Zwischenergebnisse unserer eigenen Arbeit auf dem im ersten Antrag bereits ausführlich vorgestellten Feld der Theorie und Praxis einer "Zivilisierungsmission" und ihrer Bedeutung im Hinblick auf imperiale Integration.pDie Grundfrage das Projektes B6 ist diese: Was hält über einen längeren Zeitraum ein gesellschaftlich, ethnisch, religös (usw.) äußerst heterogenes Imperium zusammen? Einsatz und Androhung physischer Gewaltanwendung (also die militärische Komponente) reichen für ein Erklärung bei weitem nicht aus. Zwangsintegration, die ohne Zweifel am Beginn eines Imperiums steht und für seinen Bestand auch weiterhin erforderlich ist, muss durch andere Formen von Integration ersetzt werden. Dabei ist davon auszugehen, dass wir es mit einem besonderen imperialen Integrationsmodus zu tun haben, der sich von anderen Modi wie nationalstaatlicher Integration oder der inkleinräumigen "face-to-face-communities" unterscheidet.PInnerhalb dieses imperialen Integrationsmodus lassen sich zwei Achsen unterscheiden: horizontale Integration, d.h. in erster Linie die Vernetzung imperialer Herrschaftsträger in den verschiedenen Kolonien und in den Gebieten informeller Kontrolle untereinander, sowie vertikale Integration, also die Erzeugung von Loyalität innerhalb der kolonisierten Bevölkerungen durch das Zustandekommen formeller und informeller Allianzen. Innerhalb dieser zunächst sehr groben Unterscheidung von Achsen soll das Projekt B6-1 durch Betrachtung konkreter Fälle Feinkategorisierungen ermöglichen.P Imperiale Integration zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie sich nicht auf homogene "communities" und den ihnen entsprechenden Sinnwelten beschränken kann. Akute oder latente Gegensätze, Spannungen und Konflikte sind eher die Regel als die Ausnahme. Symbole dienen hier der Konfliktdämpfung, Stabilisierung und Suggestion von Harmonie. Symbole, die eine solche Funktion erfüllen, können sowohl von Herrschaftsgruppen oder von deren Widersachern instrumentell eingesetzt als auch expressiv aus der Mitte des Kollektivs heraus entwickelt werden; oft ist all dies in von Fall zu Fall zu klärenden Mischungsverhältnissen der Fall. Der Teilprojektleiter interessiert sich insbesondere für das Phänomen der Vermeidung von Kommunikation durch Symbolisierung. Unterprojekt B6-1 hingegen prüft am Beispiel des wichtigsten aller Kommunikationsmedien, der Sprache, die Möglichkeiten, symbolische Kommunikation in Beziehung zum Problem imperialer Integration zu setzen.PDas Verhältnis vom Symbol und Norm muss nach den bisherigen Erkenntnissen als ein dynamisches aufgefasst werden. Auf ein Phase der rechtsförmigen Formulierung kolonialer Abhängigkeitsverhältnisse scheint gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Art von Re-Symbolisierung zu folgen, in der sich allgemeine kulturelle Tendenzen des spätviktorianischen Großbritannienwiederfinden lassen. In der zweiten Phase des KFK wollen wir die Untersuchung symbolischer Ressourcen von Integration unter dem Gesichtspunkt von Dynamik und Transformation vertiefen und uns im Anschluss daran intensiver mit dem Verhältnis von Norm und Symbol beschäftigen.

Institutionen
  • Fach Geschichte
Mittelgeber
Name Finanzierungstyp Kategorie Kennziffer
Deutsche Forschungsgemeinschaft Drittmittel Forschungsförderprogramm 509/00
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Laufzeit: seit 31.12.2009