BASE II

Beschreibung

Theoretischer Hintergrund: Chronischer, frühkindlicher und traumatischer Stress besitzt negative Folgen für die psychische, aber auch die körperliche Gesundheit und steht damit ebenfalls im Zusammenhang mit negativen sozioökonomischen Langzeitkonsequenzen. Ein Pfad führt hierbei von stressvollen Lebensereignissen über die psychische Gesundheit zu sozioökonomischen Folgen: Frühkindlicher Stress ist direkt assoziiert mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von psychischen Störungen, insbesondere Angststörungen und Depression im Erwachsenenalter (Heim & Nemeroff, 1999; Kessler, David & Kendler, 1997; Scott, VonKorff, Angermeyer et al., 2011). Bei Personen die vulnerabel für stressbedingte Psychopathologien sind oder Personen die bereits unter psychischen oder körperlichen Erkrankungen leiden, kann chronischer Stress, wie soziale, finanzielle, berufliche oder familiäre Probleme, dazu führen, dass sich zusätzlich die psychische und körperliche Gesundheit verschlechtert, eine Remission verhindert oder eine Erkrankungen erst ausgelöst wird (Hammen, Davila, Brown, Ellicott, & Gitlin, 1992; Mooy, de Vries, Grootenhuis, Bouter, & Heine, 2000; Norman & Malla, 1994; Twisk, Snel, Kemper, & vanMechelen, 1999). Traumatische Lebensereignisse wiederum stehen in einem direkten linearen Dosis-Wirkungs- Zusammenhang mit der Entwicklung von Traumastörungen, wie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), aber auch komorbiden Störungen wie Angsterkrankungen und Depression (Catani et al., 2009; Elbert et al., 2009; Karunakara et al., 2004). In der Folge führen stressbedingte psychische Erkrankungen, aber auch subklinische Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit, allesamt zu hohen sozioökonomischen Kosten: Einerseits entstehen direkte Folgekosten aus der Inan- spruchnahme von Gesundheitsleistungen (Frueh, Cousins, EhIers et al., 2002; Walker, Katon, Russo et al., 2003) -die nicht zuletzt auch Folge einer erhöhten körperlichen Morbidität und Mortalität sein können (Boscarino, 2006, Bullmann & Kang, 1994)- sowie durch Frühberentungen oder Arbeitsunfähigkeit (Richter, 2006, Spiessl et al., 2005). Andererseits können auch veränderte Kognitionen, eine veränderte Affektregulationen, Veränderungen im Sozialverhalten und Erziehungsstil oder eine allgemeine geringere Leistungsfähigkeit (Chen, Medicine, Air, & McFarlane, 2006; Fairbank, Ebert, & Zarkin, 1999, Kiernan & Huerta, 2008) weitere sozioökonomische Probleme verursachen. Ein Kreislauf entsteht: So birgt ein niedriger sozioökonomischer Status weitere chronische Stressoren und erhöht darüber hinaus wiederum das Risiko für eine Reviktimisierung und Traumatisierung (Brewin, Andrews, & Va- lentine, 2000; Carey, Stein, Zungu-Dirwayi & Seedat, 2003; Shalev, Peri, Canetti, & Schreiber, 1996). Es muss dabei beachtet werden, dass die zuvor beschriebenen Effekte nicht auf Populationen beschränkt sind, bei denen sich bereits klinisch ausgeprägte Symptome diagnostizieren lassen. Bereits auf subklinischer Ebene sind die negativen Folgen von sozioökonomischen Stress signifikant und -wie auch in Deutschland- weit verbreitet (Gerstorf et al., 2010, Mancini et al., 2011).

Neben dem zuvor beschriebenen Pfad von stressvollen Umweltfaktoren zu sozioökonomischem Status gibt es einen weiteren Pfad, der seinen Ursprung in der biologischen Ausstattung des Individuums nimmt. Genetische Prädispositionen, wie beispielsweise Polymorphismen im Glucocorticoidrezeptor-Gen, die mit einer erhöhten Stressresponsivität assoziiert sind, können ebenfalls die Stressanfälligkeit und das Risiko für Angsterkrankungen und Depression erhöhen (Wuest, van Rossum, Federenko, Koper, Kumsta, & Hellhammer, 2004; van Rossum, Russcher, & Lamberts 2005; Kumsta, Entringer, Koper, van Rossum, Hellhammer, & Wuest, 2007). In der Folge der psychischen und körperlichen Erkrankungen besteht das bereits beschriebene erhöhte Risiko für negative sozioökonomische Konsequenzen. Auch hier Young Scholar Found – Sozioökonomischer Stress und Epigenetik 4 gibt es ebenfalls einen Rückkopplungsmechanismus: So ist bekannt, dass ein niedriger sozioökonomischen Status und der damit verbundene Stress, aber auch eine unausgewogene Ernährung einen schädlichen Einfluss auf die Zellteilung besitzen kann (bspw. Cherkas et al., 2006; Epel et al., 2004).

Doch wie „merkt“ sich beispielsweise der Organismus Stresserfahrungen und welches Bindeglied verknüpft Gen- und Umweltfaktoren? An dieser Stelle greift die Epigenetik. Auch wenn durch Noxen das Erbgut geschädigt werden kann, bleibt die genetische Information in jeder Zelle die gleiche. Langfristige zelluläre Anpassungen im Organismus als Folge von stressvollen Lebenserfahrungen entstehen folglich nur dann, wenn in Abhängigkeit der Umweltbedingungen Veränderungen beim Auslesen der genetischen Information entstehen. Einer der wichtigsten epigenetischen Mechanismen ist dabei die DNA-Methylierung. Die DNA-Methylierung steuert, welche Gene in welcher Zelle zu welchem Entwicklungsstadium exprimiert werden. So können Umweltfaktoren dazu führen, dass bestimmte Gene inaktiviert und andere aktiviert werden. Eine Folge ist, dass bestimmte Rezeptortypen ausgeprägt werden, andere jedoch nicht. Es handelt sich somit um eine reversible biochemische Veränderung des Erbguts als Folge einer Interaktion mit der Umwelt und nicht um eine Mutation, also eine dauerhafte Erbgutveränderung. Im Bereich der Stressforschung konnte bereits gezeigt werden, dass vor allem der Glucocorticoid-Rezeptor (GR) mit der Stressresponsivität im Zusammenhang steht und sowohl epigenetische als auch genetische Faktoren diese signifikant beeinflussen. So weisen im Bereich der Epigenetik beispielsweise junge Ratten, die weniger mütterliche Fürsorge erfahren haben, eine erhöhte Methylierung des GR-Gens im Hippokampus auf, welche mit einer erniedrigten GR-mRNA Konzentration einhergeht. Die Konsequenz sind Dysregulationen in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden (HPA) -Achse, die überdauernd zu einer erhöhten Stressantwort führen (Fish, Sharokh, Bagot, et al., 2006). Während derartige epigenetische Phänomene bei ausgewachsenen Ratten reversibel sind, bleiben frühkindliche schädliche Umwelteinflüsse irreversibel (Weaver, Cervoni, Champagne, et al., 2004; Weaver, Meaney, Szyf, et al. 2006). Mitarbeitern unserer Arbeitsgruppe in Kooperation konnten mit Kollegen des Fachbereichs Biologie der Universität Konstanz in einer jüngsten Studie diesen Effekt erstmalig auch für Menschen nachweisen (Radtke, Ruf, Gunter, et al., 2011): Gewalt in der Partner- schaft gegen die Mutter während der Schwangerschaft führt zu einer erhöhten GR- Methylierung bei den Kindern und prädisponiert diese für eine erhöhte stressanfällig und sämtliche assoziierte Folgeerscheinungen. Gewalterfahrungen der Mutter haben jedoch dann keinen Einfluss auf die eigene DNA-Methylierung und auch keinen Einfluss auf das Kind, wenn sie vor oder nach der Schwangerschaft auftreten. In anderen Humanstudien konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass epigenetische Ver- änderungen auch als Folge frühkindlicher stressvoller Erfahrungen, aber auch im Erwachsenenalter auftreten (bspw. McGowan et al., 2009; Naumowa et al., 2012). Der Zusammenhang zwischen Epigenetik und sozialem Status konnte ebenfalls bereits nachgewiesen werden: So wiesen in einer Studie von Borghol und Mitarbeitern (2012) Probanden mit einem hohen sozialen Status ein anderes Methylierungsmuster in Form von mehr Methylierungen in Promoterregionen auf als Probanden mit niedrigem sozialen Status. Eine Umwelt in der verschiedenste Stressoren auf einen Organismus einwirken erzeugt folglich nachweisbare kritische Langzeitschäden - insbesondere während der Entwicklung- die sich in epigenetichen Veränderungen manifestieren. Die Nutzung epigenetischer Informationen steckt derzeit noch in den Anfängen liefert jedoch vielversprechende zukünftige Forschungsmöglichkeiten um Gen-Umwelt-Interaktionen in ihrer Gesamtheit besser verstehen zu können.

Im Rahmen der angestrebten Forschungskooperation sind drei Schwerpunkte vorgesehen: 1) die Durchführung einer Pilotstudie mit 300 Probanden, bei der signifikante Faktoren und Gen-Umwelt-Interaktionen identifiziert werden, die als Risikofaktoren für Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit bei sozioökonomischen Stress- belastungen fungieren, sowie die Ausarbeitung und Einreichung eines DFG- Drittmittelantrags 2) die Durchführung einer Querschnittsstudie auf Grundlage der Pilostudie, in der zusätzlich epigenetische Marker erhoben und in die Gen-Umwelt- Interaktion eingebunden werden und 3) die längsschnittliche Untersuchung aller als signifikant identifizierten Variablen, um mögliche Kausalitäten und Prädiktionen untersuchen zu können. Der Arbeitsplan für die erste Projektphase ist Gegenstand der hier beantragten Projektförderung. Das Ziel besteht einerseits in der Durchführung einer Pilotstudie zur Untersuchung von Gen-Umwelt-Interaktionen und deren Rolle bei der Ent- wicklung von Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit. Mit der Pilotstudie auf Basis von BASE II soll zunächst der Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Variablen, genetischen Markern von Stress und psychologischen Stressmaßen un- tersucht werden. Es sollen signifikante Variablen identifiziert werden und es soll gezeigt werden, dass in der von uns zu untersuchenden Population ein signifikant posi- tiver Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Risikofaktoren für stress- assoziierte psychische Probleme und klinischen sowie subklinischen psychologi- schen Maßen zu Traumaspektrumserkrankungen vorliegt und dieser durch geneti- sche Stressmaße moderiert wird. Auf Grundlage der Ergebnisse wird ein Model zu Gen-Umwelt Interaktionen erstellt. Andererseits wird ein DFG-Drittmittelprojekt aufbauend auf den Ergebnisse der Pilotstudie ausgearbeitet und während des Projekt- zeitraums eingereicht. Die Pilotstudie ist dabei unabdingbar für eine weitere Antrag- stellung um 1) zunächst den Nachweis zu erbringen, dass die in der Forschung in Einzelergebnissen beschriebenen Wirkfaktoren auch im Rahmen einer Gen-Umwelt- Interaktionen betrachtet werden müssen, 2) den Nachweis zu erbringen, dass die BASE-II Population eine hinreichende Anzahl von Belastungs- und Risikofaktoren sowie eine hinreichende Stressbelastung aufweist, um diese für weiterführende epi- gentische Analysen heranziehen zu können, 3) die Forschungshypothesen zu kon- kretisieren und einzugrenzen und 4) eine Poweranalyse durchzuführen, die Grundla- ge der weiteren Stichprobenplanung darstellt. Im Rahmen der weiterführenden Projektplanung sind sowohl ein querschnittlicher als auch ein längsschnittlicher Schwerpunkt vorgesehen. Hier- bei sollen zunächst eine repräsentative Zufallsstichprobe, sowie eine Auswahl an Hochrisikoprobanden aus dem Probanden-Pool der GWAS (BASE II) ausgewählt werden. Die Auswahl der Hochrisikoprobanden erfolgt auf Grundlage der Ergebnisse Young Scholar Fund – Sozioökonomischer Stress und Epigenetik 7 der Pilotstudie. Von allen Probanden werden als Erweiterung der hier beantragten Studie epigenetische Stressmarker aus Speichelproben bestimmt. Es wird ebenfalls auf Grundlage der Ergebnisse der Pilotstudie ein angepasstes Fragebogenset er- fasst. Ziel der ersten querschnittlichen Untersuchung wird es sein, den Zusammen- hang zwischen psychologischen Variablen, sozioökonomischen Faktoren und epige- netischen Markern zu untersuchen. Um weiterführend zwischen dem Einfluss der genetischen Ausstattungen und epigenetischen Mechanismen differenzieren zu kön- nen, werden für ausgewählte Genorte die bereits vorhandenen Gendaten aus der GWAS genutzt und ausgewertet. Im Längsschnitt findet einerseits eine Dokumentati- on der Veränderungen in den sozioökonomischen Markern statt. Andererseits werden zu zwei Messzeitpunkten, zwei- und vier Jahre nach der Ersterhebung, ebenfalls dieselben Fragebogenmaße und epigenetischen Marker erhoben. Das Ziel besteht darin, zu untersuchen

1) Welche Wechselwirkungen zwischen den drei Ebenen, Sozioökonomie, Psychopathologie und Epigenetik vorliegen und in welchem Ausmaß diese im Längsschnitt kovariieren,

2) ob sich anhand sozioökonomischer Marker po- tentielle Risikofaktoren für zukünftige psychopathologische und epidemiologische Veränderungen vorhersagen lassen, beziehungsweise, ob

3) bei Vorliegen eines bestimmten Risikoprofils aus psychopathologischen und epigentischen Risikofaktoren Vorhersagen über sozioökonomische Veränderungen treffen lassen. Dieses Projekt bietet damit –von psychologischer Seite her– entscheidende grundlagentheoretische Erkenntnisse über Gen-Umwelt-Interaktionen und besitzt damit einen exempla- rischen Modellcharakter für das gesamte Fachgebiet. Im Speziellen liefert es entscheidende Erkenntnisse über die epigenetischen Grundlagen von Stress sowie die Bedeutung von chronischem sozioökonomischem Stress auf die Entwicklung von Psychopathologien und besitzt damit eine hohe anwendungsbezogene Relevanz für den Bereich der klinischen Psychologie.

Institutionen
  • FB Psychologie
Mittelgeber
Name Finanzierungstyp Kategorie Kennziffer
Exzellenzinitiative Drittmittel Forschungsförderprogramm 911/12
Weitere Informationen
Laufzeit: 01.01.2013 – 31.12.2013