Selbstverpflichtung und Selbstregulierung. Sprachliche Strategien in Verhaltenskodizes bei der Korruptionsbekämpfung
Globale Kommunikation und Korruption sind zwei einander potenzierende Problemstellungen des 21. Jahrhunderts, die zu den dringlichsten Topics auf den Agenden des internationalen Gipfeltums avanciert sind. Seit einigen Jahren reift in den westlichen Kulturen die Erkenntnis, dass Korruption keine rationale Strategie, sondern ein klassisches Gefangenendilemma mit ineffizienten Markt- und amoralischen Gesellschaftsergebnissen ist.
War die strafrechtliche Sanktion früher einziges Werkzeug im Kampf gegen Korruption, so werden seit einigen Jahren gesellschaftliche Selbstkontrollmechanismen zur omipräsenten Wunderwaffe stilisiert, doch erst in jüngster Zeit wird auf das Zusammenspiel von hoheitsstaatlichen mit zivilgesellschaftlichen Kräften, gepaart mit einer offensiven Kommunikationspolitik, gesetzt. Sichtbare Folgen sind auf unternehmerischer Seite die Veröffentlichung von Selbstverpflichtungserklärungen, die nationalstaatlich durch Rahmenrichtlinien wie den Corporate Governance Kodex motiviert sind, und auf gesellschaftlicher Ebene Zertifikatsvergaben durch international tätige Organisationen wie Transparency International, die gemeinsam mit so genannten „korporativen Mitgliedern“ Programme zur Prävention und Eliminierung von Korruption vorantreiben.
Die Nachwuchsgruppe „Normgenese in der Globalisierung“ möchte interdisziplinär erforschen, welchen Stellenwert kollektive Selbstbindungen (auch Verhaltenskodizes) in einer Antikorruptionsstrategie nach dem Vorbild der so genannten regulierten Selbstregulierung haben, welchen juristischen Bedingungen sie genügen müssen und wie sich diese sprachlich effektiv gestalten lassen, ohne nationales Recht zu unterlaufen und moralische Normen in einem globalen Interaktionsraum zu verletzen. Unter „regulierter Selbstregulierung“ wird hier eine staatliche Steuerungsstrategie verstanden, die seit der Verwaltungsrechtsreform in den 90-er Jahren die rechtswissenschaftliche Diskussion durchzieht, bis heute aber mangels definitorischer Präzision in seiner legislativen Potenz eingeschränkt ist.
Aus diesem Grunde werden im ersten Projektabschnitt die begriffs- und ideengeschichtlichen Determinierungen regulierter Selbstregulierung und quasi-synonymer Parallelausdrücke im interdisziplinären Vergleich herausgearbeitet. Ziel dieser terminologischen Recherchen ist, dem rechtswissenschaftlichen Diskurs eine Bestimmung zur Verfügung zu stellen, die eine rechtspraktische Anwendung der Strategie ermöglicht, da die Auffassung vertreten wird, regulierte Selbstregulierung könne sowohl im Verwaltungs- als auch im Strafrecht Impulse für die Novellierung von Rechtmitteln setzen, die geeignet sind mit der Komplexität internationaler (Rechts-)Interaktion umzugehen.
Aus der Ausgangskonstellation einer vielversprechenden juristischen Strategie und einem neu zu erschließenden Anwendungsbereich globaler Relevanz soll der zweite, empirische Teil des Projektes der linguistischen Analyse unternehmerischer Antikorruptionsverpflichtungen gewidmet sein, der sich als sprachwissenschaftlicher Beitrag zur Lösung globaler Kriminalitätsdilemmata versteht.
Im Fokus stehen dabei neben der textlinguistischen Struktur die sprechakttheoretischen Formeln, mit denen integres Verhalten versprochen oder eingefordert wird, Wahrheitswerte vermittelt werden oder rechtssprachliche Verbindlichkeit dokumentiert wird. Gleichermaßen muss eine rezeptionsseitige Betrachtung klären, welchen Einfluss die mediale und werbewirtschaftliche Vermarktbarkeit einer Selbstverpflichtung auf ihre sprachliche Formation nimmt. Als Folie bei der Betrachtung unternehmerischer Kodizes sollen der deutsche Corporate Governance Kodex sowie Richtlinien internationaler zivilgesellschaftlicher Verbände herangezogen werden, deren Testate reputationsbedingt hoheitsstaatlichen Zertifikaten gleichkommen. Maßgeblich sind hier die Business Principles for Countering Bribery von Transparency International, die Anti Bribery Convention der OECD und die United Nations Convention against Corruption, deren Zertifizierungsreglements als federführend für ein System regulierter Selbstregulierung erachtet werden.
Idealiter können die empirischen Befunde zu einem Kompositionskonzept kondensiert werden, das die Textsorte ‚Selbstverpflichtung’ als produktives und rechtssprachlich einwandfreies Kalkül einer Antikorruptionsstrategie nach dem Muster der regulierten Selbstregulierung konstituiert.
- Exzellenzcluster
Laufzeit: | 01.01.2009 – 31.12.2011 |