Differenzierung und Individualisierung der Verfolgung. Die Transformation von Verfolgungsnetzwerken des Holocaust am Beispiel Belgiens, 1940-1944

Beschreibung

Die Untersuchung zielt auf die exemplarische Beschreibung und Analyse der Differenzierung und Individualisierung der Strukturen der gegen die Juden gerichteten Verfolgungsapparate und der Handlungslogiken der Verfolger und ihrer Helfer in Belgien unter deutscher Besatzung 1940-1944. Zugrunde liegt die Annahme, dass gesteigerte Komplexität der Verfolgungsapparate in Form zunehmender Machtdifferenzierung und Arbeitsteilung zwar aus Sicht der Verfolger ein Nachteil war, die Verfolgung selbst aber nicht notwendigerweise ineffektiver gemacht hat. Gegenstand der Untersuchung im engeren Sinne ist die Ausweitung der Arbeitsteilung in den Verfolgungsapparaten und die Verfeinerung der Taktiken und Techniken der Verfolgung angesichts knapper Personalressourcen, einer großen Zahl untergetauchter Juden, schwacher Unterstützung durch die inländische Verwaltungund und Polizei und aktiver Unterstützung für die Untergetauchten seitens der belgischen Bevölkerung. Die Auswahl des Falles Belgien ist begründet durch (1) die Tatsache, dass in Belgien, im Unterschied zu Frankreich oder den Niederlanden unter deutscher Besatzung, die Mehrzahl der Juden statt durch Räumung von Arbeitslagern, Razzien und anderen Massenfestnahmeaktionen durch Einzelverhaftung in die Gewalt der Besatzer gelangte, (2) die Verfügbarkeit der für die Einzelverhaftungen einschlägigen, bis vor kurzen noch gesperrten Archive der auf deutsche Veranlassung gegründeten jüdischen Zwangsoranisation, der Association des Juifs en Belgique (AJB), (3) den damit ebenfalls gegebenen Zugang zu umfangreichen Dokumenten über die Lebensbedingungen und Überlebensstrategien der Juden und die Wechselwirkung zwischen Verfolgung, Gegenwehr, Widerstand und Verfolgungstaktiken, (4) die durch die Quellenlage für Belgien besonders günstige Aussicht auf weitere Aufschlüsse über Systematik und Alltagspraxis der Zusammenarbeit von deutschen Zivilverwaltungsbehörden, namentlich der Reichsfinanzverwaltung und ihres "Devisenschutzkommandos", mit Sicherheitspolizei und SD bei der Verhaftung und Deportation von Juden und damit über die Verknüpfung von wirtschaftlicher und physischer Verfolgung, sowie (5) die Tatsache, dass Belgien in der internationalen Holocaust-Forschung bislang nur wenig Beachtung gefunden hat und zum Thema der hier projektierten Untersuchung auch keine belgische Forschungsliteratur vorliegt.

Institutionen
  • FB Politik- und Verwaltungswissenschaft
Mittelgeber
Name Finanzierungstyp Kategorie Kennziffer
Deutsche Forschungsgemeinschaft Drittmittel Forschungsförderprogramm 600/05
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Laufzeit: seit 31.05.2007