Abstract: Der Türkei kommt zweifelsohne eine eigene Bedeutung hinsichtlich der EU-Erweiterung zu. Denn während man innerhalb der bestehenden Union von einer "relativen" Übereinstimmung in den kulturellen und politischen Ordnungsvorstellungen der nationalen Gesellschaften ausgehen kann (griechisch-römishe Tradition, Demokratieverständnis, Christentum) ergeben sich mit Blick auf den Islam und die politisch-kulturelle Ordnungsvorstellung des Kemalismus besondere Fragen. Wie sind etwa die im türkischen Antiterrorgesetz, Art. 8 gestatteten Einschränkungen von Grundrechten oder die auf den Islam zurückzuführenden gesellschaftlichen Formen und Praktiken zu beurteilen, die den egalitären Verfassungsprinzipien des öffentlichen Bereichs innerhalb der türkischen Gesellschaft widersprechen? Ziel des geplanten empirischen Forschungsprojekts ist die Analyse von Denk- und Wahrnehmungsmustern europäischer Akteure anhand des innerhalb des Europäischen Parlaments geführten Diskurses über das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Es geht dabei um die zentrale Frage der Identitäts- und Differenzproblematik innerhalb des europäischen Erweiterungsprozesses und deren politischen Folgen. In Anbetracht eines möglichen Beitritts der Türkei in die EU soll konkret untersucht werden, was diese Option für die Identitätsbildung, die Selbst- und Fremdwahrnehmung europäischer Akteure bedeutet. Im Hinblick auf den Prozeß einer europäischen Identitätsbildung sollen vorhandene oder sich abzeichnende Inklusions- und Exklusionsmuster im sich formierenden europäischen Mitgliedschafts- und Integrationsraum erschlossen werden. Quellengrundlage des Vorhabens sind Sitzungsprotokolle des Europäischen Parlaments mit dem Debattengegenstand "Türkei". Die Auswertung erfolgt anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse. Darüber hinaus sind in die Forschungsaktivitäten Wissenschaftler der Bosporus Universität in Istanbul, der Universität Athen und der Universität Zypern eingebunden.