Normativität und Freiheit

Description

Normativität und Freiheit sind durch zwei nahe liegende, gegenläufige Abhängigkeitsbeziehungen miteinander verknüpft. Einerseits setzen sinnvolle Normen voraus, dass die Normadressaten frei sind, sie zu erfüllen, enggeführt in dem römischen Rechtsgrundsatz „impossibilium nulla obligatio“ bzw. dem philosophischen Satz „Sollen impliziert Können“. Andererseits ziehen geltende Normen Freiheitsbeschränkungen nach sich. Beide Zusammenhänge gelten traditionell als so eng, dass sie als Schlussprinzipien verwendet werden. Das gilt für beide Richtungen, ganz besonders aber für den Schluss aus der fehlenden oder signifikant beschränkten Freiheit auf die mangelnde Applikabilität, Legitimität oder Geltung von Normen. Personen, die (zu Recht oder Unrecht) glauben, eine Norm nicht bzw. nicht im geforderten Umfang erfüllen zu können, werden sich über kurz oder lang nicht mehr an ihr ausrichten und schließlich auch ihre Legitimität und Geltung in Frage stellen, explizit oder implizit. Personen wiederum, die eine Norm vorzüglich oder sogar ausschließlich als freiheitsbeschränkend begreifen, werden ähnliche Legitimitätszweifel entwickeln; oder sie werden zwar ihre soziale Bedeutung und Geltung generell anerkennen, aber bestrebt sein, sie partikular zu unterlaufen, wo immer das sanktions- oder kostenfrei möglich ist. Beide Reaktionen erscheinen prima facie rational. Ebenso nahe liegend ist ihre überindividuelle Verallgemeinerung. Insofern sind beide Schlussprinzipien geeignet und werden auch von jeher dazu herangezogen, bestehende normative Bindungen zu erschüttern und Prozesse der Transformation oder Subversion bis zum totalen Zusammenbruch normativ konstituierter sozialer und politischer Ordnung zu befördern.

Mitarbeiter: Nadja Jelinek; PD Dr. Michael Kühler

Institutions
  • Department of Philosophy
Funding sources
Name Finanzierungstyp Kategorie Project no.
Deutsche Forschungsgemeinschaft third-party funds research funding program 546/06
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Period: since 31.12.2009